Demonstration und Dokumentation
Michael Preibisch | 07/08/2005
(5 out of 5 stars)
"Bei dem Anblick des wahrscheinlich direkt aus dem TUI Katalog entwendeten und als Postkarte für den oder die Liebste großartige Dienste erweisenden Covermotivs, erscheinen die Dinge mehr als offensichtlich: Ein Cocktail, ein Strohhalm mit einer Scheibe Ananas und im Hintergrund ein kakaobrauner, stahlmuskelner Animateur, der mit vor Schmalz triefenden Melodien die Herzen der Damen zum Schmelzen bringt - `Marimba d'amore' eben. Niemals mit dem einfachen Augenschein zufrieden haben wir jedoch ein wenig Nachforschung betrieben und herausgefunden, dass die Marimba eine jahrhundertealte Geschichte aufzuweisen hat, dass sie durch stete, raffinierte Verbesserungen zu einem ausgeklügelten Solo- und Orchesterinstrument geworden ist, dass ihre Metallröhren nicht dem längeren, weichlicheren Ausklingen der Töne, sondern ihrer Kräftigung dienen. Und dass ihre Hölzer gemäß der Formel f = 1.03 ( t ( Y / p )^0.5 ) / L^2 schwingen. Ganz so einfach ist es dann doch nicht!
Oder vielleicht doch. Denn wenn der gebürtige Rumäne Bogdan Bacanu zu den Schlägeln greift, schmelzen sowohl die Schreckens- (oder, je nach Perspektive und Promillegehalt Wunsch-)bilder von Strandclubs und billigem Rum, als auch die Kopfschmerzen bereitenden physikalischen Analysen wie der Schnee von gestern unter der brennenden Hitze der schwülen Sommersonne. Obwohl es in der Natur der Sache liegt, dass so manches für die Badeanzugszene im nächsten James Bond Verwendung finden könnte und sich eine der Kompositionen an den alten Elvis Schmachtfetzen `Can't help falling in love' anlehnt, werden hier alle Nuancen eines vielseitigen Instruments ausgelotet. Bacanu ist der richtige Mann für die Fingerfertigkeit und Kontrolle erfordernden anspruchsvolle Passagen und verleiht auch den mystischen Strecken die notwendige Undefiniertheit und finstere Couleur, während er gleitend von druckvollem, phonstarken Spiel direkt in flüsterndes Pianissimo herunterfährt: Mit dieser, seiner ersten offiziellen CD, wird er, davon kann man mit Gewissheit ausgehen, auch über die einschlägigen Kreise hinaus sein bisher nur im Konzertsaal zu bewunderndes Können für zukünftige Generationen demonstrieren und dokumentieren.
Die Geschlossenheit des Projekts wird zu einem kaum zu unterschätzenden Teil von der Tatsache unterstützt, dass sämtliche Kompositionen aus der Feder der japanischen Altmeisterin Keiko Abe stammen, gleichzeitig belegen die vorliegenden Interpretationen die Breite und stilistische Grenzenlosigkeit ihres Werkes. Nur selten wird die Verwurzlung im asiatischen Raum dabei derart deutlich wie bei den Titeln `Variations on Japanes Children's Songs' oder `Itsuki Fantasy'. Immer wieder dahingegen klassische Naturverweise (`Memories of the Seashore', `Wind Sketch') und musikalische Stilleben (`Ancient Vase'). Während weitestgehend die Göttin der Harmonie regiert, haben sich in das für Bacanu verfasste `Alone' deftige Dissonanzen eingeschlichen, und obwohl der impressionistische Charakter vieler Stücke und ihrer Bezeichnungen einen programmatischen Charakter mehr als nur nahe legt, sind es ausschließlich die weit geöffneten und Geräusche vorbeilaufender Passanten hereinlassenden `Little Windows' sowie der sanft säuselnde `Wind in the Bamboo Grove', die wirklich konkret werden - der Rest des Materials verkneift sich jede Offensichtlichkeit. Es ist schon eine beachtliche Leistung an sich, wenn man einem derart ungewohnten Instrument über eine Stunde ohne Ermüdungserscheinungen lauschen kann. Lediglich das Titelstück, welches als eine Art Zusammenfassung des bereits Gehörten dient, wäre mit seinen elf Minuten nicht ganz nötig gewesen.
Auch die Lobeshymnen und gegenseitigen Beweihräucherungen der Beteiligten, ihrer Bewunderer und der von ihnen Bewunderten sind als Informationen eher zweitrangiger Natur. Interessant, wenngleich recht knapp gehalten hingegen die Anmerkungen zum Thema Aufnahme und Mikrophonaufstellung, gerade weil der transparente und natürliche Klang der Marimba, der auf das Konto von Michele Gaggia geht, auf diesem Album wesentlich zum Gelingen beiträgt.
`Marimba d'amore' ist dadurch mehr als eine reine Liebhaberscheibe geworden und auch für Fachfremde eine spannende und entrückend fremdartige Angelegenheit. Darauf kann man schon mal mit einem Pina Colada anstoßen.
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